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Moreno bei der Amtseinführung, 2017. Foto: Kazan Today |
Der Gründer der Enthüllungsplatform WikiLeaks, Julian Assange, der sich gezwungen
sieht, nun seit beinahe sechs Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in
London auszuharren, da ihm beim Verlassen derer eine Verhaftung durch die
britischen Behörden sowie eine Überstellung nach Schweden beziehungsweise den
USA, inklusiver der Todesstrafe drohte, kann einem ehe schon leid tun: Nun
stelle man dem Mann, der einen über die streng geheimen und unmenschlichen Machenschaften
der USA aufklärte und dabei ein hohes persönliches Risiko einging–viele nennen
ihn daher einen Helden- und dessen, seit der freiweilligen Inhaftierung 2012,
einzig verbliebene Freiheit die Weiten des Internets waren, seitens Ecuadors
ebendieses ab und nimmt ihn somit in Isolationshaft.
Warum kam es dazu? Warum war ihm das lateinamerikanische Ecuador damals so
wohlgesonnen, gewährte Assange politisches Asyl - Deutschland bot dies ausnahms-
und ironischerweise mal nicht an!-, erklärte Assange im Dezember 2017 sogar zum
ecuadorianischen Staatsbürger, um ihn dann 2018 des Internets, also seines
Lebenselixiers, zu berauben.
Politische Veränderungen in Ecudaor
Als Assange im Jahre 2012 die ecuadorianische Botschaft aufsuchte, man
ihm dort Unterschlupf und ihm einige Monate später in Ecuador- eine Ausreise in
dieses Land war freilich praktisch nicht durchführbar- Asyl gewährte, war
sowohl Ecuador als auch ein sehr großer Teil Lateinamerikas, das seit der Jahrtausendwende,
einen durch faire Wahlen noch nicht da gewesenen demokratischen Linksruck
erlebte, anti-imperalistisch eingestellt.
Dieser Prozess begann bereits mit dem ersten Sieg Hugo Chávez im Jahre
1998 in Venezuela und führte mit Siegen der von Gegnern als Linkspopulisten
gebrandmarkten Politikern wie Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei in
den Jahren 2002 und 2006 in Brasilien, den Siegen des Linksperonisten Néstor
Kirchners 2003 in Argentinien - später, 2007, der Sieg seiner Frau Cristina Fernández de Kirchner -, der Sieg Tabaré Vázquezs in Uruguay,
insbesondere aber der von Evo Morales als erster indigener Präsident Boliviens
im Jahre 2005, der von der chilenischen und einst in Leipzig und Berlin
lebenden Sozialdemokratin Michelle Bachelet Anfang 2006 oder der Sieg der
russlandfreudlichen Sandinisten in Nicaraguas über den Sieg Rafael Correas mit
seiner sogenannten Revolution der Bürger
2007, die zehn Jahre halten sollte, nach Ecuador sowie mit den Sieg des Fernando
Lugos, einem Bischof der Befreiungstheologie abschliessend nach Paraguay.
Man sprach von den Sozialisten des
21. Jahrhunderts und die links-progressiven Regierungen Venezuelas,
Boliviens und Ecuadors wurden damals von Linksintellektuellen, ausgehend vom
pakistanischen Schrftsteller Tariq Ali, und in Anlehnung an die Wortwahl George
W. Bushs als Achse der Hoffnung
bezeichnet. Dies zurecht, denn links sein
in Lateinamerika wie in weiten Teilen der Welt bedeutet unter anderem für sein
Land einzustehen, es, auch mit Verstaatlichungen zum Wohl der Bürger und gegen
äussere Einmischung zu schützen sowie Patriot zu sein.
Gerade Venezuela und Ecuador machten nicht nur mit Massnahmen, wie z.B.
der Verstaatlichung von Erdöl- oder Erdgasvorkommen, sondern auch mit
antiimperalistischen Worten Richtung der USA auf sich aufmerksam. Dies war
sicher ein Grund warum Julian Assange, verfolgt vom Westen, einerseits hier
sicheren Unterschlupf suchte und ebendiesen andererseits unter Rafael Correa im
Jahre 2012 auch erlangte.
Moreno und die neoliberale Restauration
Nun, nach zehnjähriger Amtszeit Correas und seit dem 02. April 2017, dem
Tag der Wahl des neuen Präsidenten Lenín Morenos, dem ehemaligen Vizepräsidenten
unter Correa, von diesem selbst als Präsident vorgeschlagen und ebenso Gründungsmitglied
der Partei Patria Altiva i Soberana (dt. Aufrechtes
und Souveränes Vaterland) verändert sich Ecuador langsam aber kontinuierlich
im Rückwärtsgang hin zu einem Neoliberalismus à la USA, so dass es nicht nur
von Correa, sondern von den meisten Ecuadorianern als Wahlbetrug betrachtet
wird.
Unter anderem will er die Macht des Rates für Bürgerbeteiligung
einschränken, das Gesetz zur Verhinderung von Bodenspekulation aufheben, wieder
bessere Beziehungen zu den von Correa verhassten ecuadorianischen Traditionsmedien
pflegen, die 2015 eingeführte Möglichkeit der mehrfachen Wiederwahl des
Staatspräsidenten abschaffen- wohl deshalb damit sein Vorgänger Correa 2021
nicht erneut kandidieren kann-, wie er kundtut, die bilateralen Beziehungen mit
den USA vertiefen sowie den Beitritt zur neoliberalen Pazifik-Allianz als auch
Sanktionen gegen Venezuela prüfen.
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Streit zwischen alten Verbündeten,Correa und Moreno. Foto: CNN |
Dieser gesamte neoliberale Prozess, gepaart mit einer Selbstprofilierung
und Abgrenzung zu seinem Vorgänger hat nun wohl auch Julian Assange erreicht.
Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Einfacher wird es für ihn also wohl
kaum werden.
In Schweden sollte er sich zu den Vorwürfen einer Vergewaltigung - wohl,
wie im Fall Skripal ein Komplott - äussern und auch wenn das Verfahren dort
gegen ihn im Frühjahr 2017 plötzlich eingestellt wurde - der bisher einzige Lichtblick
für ihn in diesem Trauerspiel- betont die britische Regierung weiterhin, dass
sie Assange beim Verlassen der Botschaft nach wie vor sofort festnehmen und
gegebenenfalls an die imperialistischen USA ausliefern würde, als deren ewiger Handlanger sie
sich damit erneut beweist.
Besonders bedauerlich mit Bezug auf diese konstante
Menschenrechtsverletzung ist allerdings das ebenso andauernde Schweigen Deutschlands
sowie anderer Regierungen.
MJW